Durch Verwendung von Van der Bellens Wahlwerbe-Slogan „Mehr denn je“ befeuerte die Teemarke Lipton auf Facebook eine hitzige Kontroverse. Das Kalkül des multinationalen Konzerns ging auf. Anstelle von der politischen Linken für Umweltsünden, Menschenrechtsverletzungen und kapitalistische Marktdominanz gerügt zu werden, eilen diese, unterstützt vom politisch einschlägigen Medienboulevard, im blinden Reflex zu Hilfe. Dabei demaskiert die PR-Strategie unfreiwillig die Qualität der politischen Auseinandersetzung: Politische Internet-Eiferer kann man mit den richtigen Schlagwörtern heraufbeschwören wie Flaschengeister, auch wenn sie dabei entgegen ihren vorgeblichen Idealen handeln.
Am 25. Oktober postete das Facebook-Marketingteam von Lipton anlässlich des österreichischen Nationalfeiertags folgenden Text: „Wir glauben fest daran, dass wir mehr Miteinander, mehr Offenheit und mehr Austausch brauchen. In diesem Sinne: Willkommen auf unserer neuen Facebook Seite! #GedankenzumNationalfeiertag#Liptonheisstwillkommen“. Begleitet wurde dieser von einem Bild, in dem Liptons relativ neues „Pyramidenbeutel“-Patent einen weiteren Berg in einer Berglandschaft darstellen soll. Prominent prangt quer über das Sujet die Parole „Offenheit versetzt Berge. Mehr denn je!“
Während konservativ orientierte Leser schon rasch darauf hinwiesen, dass sie sich von einem Teehersteller anstelle politischer Botschaften eigentlich nur wohlschmeckenden Tee erwarten, geriet das linke Lager geradezu in Extase. Das verwundert aus vielen Perspektiven, denn gerade die Linken und Grünen müssten die schärfsten Kritiker der Marke, ihres Mutterkonzerns und des Produktes sein, ginge es ihnen um Ökologie, Umweltschutz, Menschenrechte, Kapitalismus- und Globalisierungskritik.
Linke Internet-Eiferer bejubeln Plastik-Teebeutel
Das müsste schon beim im Bildsujet beworbenen Produkt beginnen: Lipton ist dazu übergegangen, Teemischungen in besonders reißfesten Pyramidenbeuteln anzubieten. Diese Beutel bestehen laut lipton.com aus PET-Plastik (Polyethylen terephthalat). Das Material ist in der Natur nicht kompostierbar. Um es zu zersetzen, ist eine spezielle industrielle Kompostieranlage nötig. In vielen Gesundheitsmedien finden sich Berichte über Studien, welche vor den Gefahren warnen, Flüssigkeiten oder sonstige Nahrung in Plastikgebinden zu erhitzen. Dabei geht es nicht nur um das Herauslösen potentiell gesundheitsgefährdender Stoffe (hier wird besonders bei PET die Freisetzung von Phtalaten diskutiert), sondern auch um die Brüchigkeit der Molekülketten bei Temperaturen unter 100 Grad. Die so genannte Glasübergangstemperatur von PET liegt bei 80 Grad – also bereits deutlich unter Kochtemperatur. Echte Teekenner bestätigen hingegen – Plastikbeutel hin oder her – dass ein Teebeutel an sich schon ökologischen Unsinn darstellt, da es sich um einen unnotwendigen Einwegfilter als Wegwerfprodukt handelt.
Das lange Sündenregister von Unilever
Wenn Lipton außerhalb bezahlter Anzeigen in den Medien auftaucht, sind die Inhalte oft nicht sehr schmeichelhaft. Ob in Kinder- und Zwangsarbeit gepflückte Teeblätter (Konsument.at 2007), eine extreme Giftstoffbelastung, die zum kompletten Produktrückruf der betroffenen Sorten führte (Chicago Tribune 2012) oder ob diskutiert wird, dass angeblich gentechnische Produkte von Monsanto verwendet werden – nichts weist darauf hin, dass es sich um ein Unternehmen handelt, das von einem klassischen, verträumten linken Umweltfreund bevorzugt werden könnte. Lipton ist eine Marke von Unilever, einem multinationalen Großkonzern. 2008 ließ Unilever Sumpfwälder in der Elfenbeinküste trockenlegen und für Palmöl-Plantagen roden. In Sumatra wird für Unilever Raubbau betrieben, die indigene Bevölkerung vertreibt man mit Waffengewalt. Ähnliche Beschwerden liest man aus dem Kongo. 1986 vergiftete Unilever die Umwelt in Indien mit zwei Tonnen Quecksilber. Mindestens 500 Arbeiter sollen zu Schaden gekommen sein. 2011 wurde Unilever von der EU aus kartellrechtlichen Gründen zu einer dreistelligen Millionenstrafe verurteilt. Im selben Jahr verlieh die NGO „Rettet den Regenwald“ Unilever den „Baum-Ab“-Negativpreis für Umweltzerstörung und Missachtung der Menschenrechte in Indonesien.
Das sind natürlich nur einige Auszüge aus der langen Firmengeschichte des Konzerns. Dem gegenüber stehen, wenn man den Beteuerungen der PR-Abteilung glauben will, auch viele Bemühungen, „es besser zu machen“.
Konzerne sonst offiziell unpolitisch
Während Konzerne durchaus dafür bekannt sind, hinter den Kulissen mittels Lobbying politische Entscheidungen zu beeinflussen, um ihre Marktmacht einseitig auszubauen und zu festigen, sind offene politische Äußerungen bislang stets verpönt gewesen. Grund für diese Strategie ist klar: Egal, auf welcher politischen Seite der Kunde steht – er soll kaufen und nicht ideologisch verschreckt werden. So schalten Konzerne auch keine Werbungen in ideologisch belasteten Medien. Umso erstaunlicher ist es, dass die von Lipton verpflichtete Agentur „Spinnwerk“ von dieser Linie vollständig abweicht. Denn dieses eine Posting ist nicht die einzige „grüne“ und „linke Botschaft“, welche seit Beginn der Marketing-Zusammenarbeit geschaltet wurde.
Tendenziöse Boulevardmedien assistieren
Sehr schnell waren auch die linken Boulevardmedien „Heute“ und „derStandard“ zur Stelle, um zu assistieren. „Der Teehersteller Lipton ist mit seiner neuen Facebook-Seite zur Zielscheibe von rechtsextremen Aktivisten geworden.“ fabuliert „Nachwuchstalent“ Fabian Schmid für den Standard, der aber in seinen Ausführungen zugeben muss: „Tatsächlich setzt auch Alexander Van der Bellen auf den Slogan.“

Es steht zweifelsfrei fest, dass „Mehr denn je!“ im Sprachgebrauch der Österreicher im Jahr 2016 der Wahlwerbung von Van der Bellen zuzuordnen ist.
„‚Mehr denn je‘ ist seit jeher allgemeiner Sprachgebrauch“
Dass es sich um einen Slogan aus der Wahlwerbung handelt, negierte das Facebook-Team von Lipton völlig. Während man eine ideologieschwangere Parole nach der anderen verbreitete, behauptete man: „‚Mehr denn je‘ ist seit jeher allgemeiner Sprachgebrauch. Google findet dazu ungefähr 5.490.000 Suchergebnisse.“ (Lipton, 27. Oktober, 10:38). Was der Überprüfung nicht standhält: Sucht man korrekt als Phrase, findet sich die Kampagne von Van der Bellen an erster Stelle nach den von Google vorgereihten Übersetzungen und Wörterbüchern. Um genau zu sein, finden sich auf der ersten Trefferseite nur Referenzen auf Van der Bellens Wahlkampf, dessen omnipräsentes „Mehr denn je“ auch die Profilbilder vieler Van der Bellen-Unterstützer schmückt.
Und auch ein anderes Boulevardblatt, die „Heute“, lässt sich ohne weitere journalistische Anstrengung von Lipton instrumentalisieren. Dort dichtet man berechtigte und zumeist sachlich geäußerte Kritik in einen „rechten Shitstorm“ um. Ein „Großteil der Teefans“ würde darauf „verwundert reagieren“ meint man bei „Heute“ weiter. Setzt man sich objektiv mit der Sache auseinander, wird man solche Teefans freilich nur in homöopathischen Dosen finden.
Fazit: Manche Menschen sind mit Buzzwords beliebig lenkbar
Eine soziologische Untersuchung der Vorgänge würde sich anbieten. Können Menschen und auch Medienmacher durch so genannte Buzzwords (Schlagwörter) in eine beliebige gewünschte Richtung gelenkt werden? Sind die tatsächlichen Inhalte völlig egal, werden sie kritiklos übernommen und können sie den Werten der solchermaßen beeinflussten Personen auch komplett entgegenstehen? Wo bleibt dabei die Fähigkeit zur Differenzierung und dem Hinterfragen von Sachverhalten auf der Strecke und warum?
Quellen / weiterführende Links:
Das Posting bei Lipton
Artikel bei DerStandard
Artikel bei heute.at
Theatlantic: Exemplarischer Hintergrundartikel zu Teebeuteln aus Plastik